Im Zuge unserer Recherchen zum Thema sind wir auf spannendes Material gestoßen, das eine vertiefende Auseinandersetzung zum Thema ermöglicht. Wir haben hier eine Auswahl zu den Themen Klassismus, soziale Ungleicheit, Chancengerechtigkeit und Armut zusammengestellt.
Alle angegebenen Links wurden abgerufen zuletzt am 28.10.2021
Vor etwa 24 Jahren hat die Arbeiterwohlfahrt Kinderarmut als sozialpolitisch relevantes Thema identifiziert und das Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik mit einer empirischen Untersuchung dieses gesellschaftspolitischen Phänomens beauftragt. Seitdem werden die Lebensverläufe von ursprünglich 893 Kindern untersucht, die zum damaligen Zeitpunkt sechs Jahre alt waren und bundesweit 60 Kindertagesstätten der Arbeiterwohlfahrt besucht haben. Der Anteil der armen Kinder in der Stichprobe war doppelt so hoch wie im damaligen Bundesdurchschnitt.
Als „arm“ wurden Haushalte definiert, die über weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens verfügen oder staatliche Mindestsicherungsleistungen beziehen. Um die Komplexität von Armut zu erfassen, hat die AWO-ISS-Langzeitstudie ein mehrdimensionales Armutskonzept entwickelt, das neben der materiellen Lage auch kulturelle, soziale und gesundheitliche Lagen sowie deren Zusammenwirken erfasst.
Die Lebensverläufe dieser Kinder wurden differenziert nach ihren Armutserfahrungen und dabei insgesamt zu vier Zeitpunkten (mit sechs, zehn, 16/17 und zuletzt mit 25 Jahren) untersucht. Zentrale Fragestellungen der Studien waren was bei den Kindern in armen und nicht armen Familien ankommt und welche Armutsfolgen sich bei den Kindern und später bei den Jugendlichen identifizieren lassen. In der zuletzt veröffentlichten Untersuchung waren die Forschungsfragen, wie sich Armut im jungen Erwachsenalter auf die Betroffenen auswirkt und welche Langzeitfolgen von Armut bei den 25-jähren festzustellen sind.
Die Kernaussage der bisherigen Studienphasen ist, dass das Leben in Armut die Chancen der Kinder im Wohlergehen erheblich reduziert. Bei vielen armutsbetroffenen Kindern geht die Erfahrung mit hohen Belastungen einher.
„Armut ist damit ein zentrales Entwicklungsrisiko für Kinder und Jugendliche und stellt im gesamten Lebensverlauf bis ins junge Erwachsenenalter hinein einen hohen sozialpolitischen Handlungsbedarf dar.“
Die aktuelle AWO-ISS-Langzeitstudie kommt zu dem Ergebnis, dass Armut und Armutserfahrungen zu Nachteilen bei der Bewältigung zentraler Herausforderungen führen, die sich den Betroffenen beim Übergang ins junge Erwachsenenalter typischerweise stellen. Hierzu gehören Fragen des Ausbildungsabschlusses, der Arbeitsmarktintegration, der Loslösung vom Elternhaus, sowie Partnerschaftlichkeit und Familiengründung.
Eine Kurzfassung der Studienergebnisse ist hier zu finden.
Die Ergebnisse der fünf Studienphasen haben nicht nur das Forschungsfeld enorm vorangebracht, sondern wurden immer auch mit der praktischen und politischen Arbeit der AWO rückgekoppelt. Die Konsequenzen der aktuellen Studienergebnisse wurden innerhalb der AWO diskutiert und Forderungen formuliert für eine wirksame Politik, Praxis und Zivilgesellschaft zur Überwindung von Kinderarmut.
DownloadTUP Sonderband: Gefahr Ungleichheit. Wie die Zersetzung der Demokratie verhindert werden kann (2020)
In den Texten und Interviews in diesem Band werden strukturelle Ungleichheiten in verschiedenen Lebensbereichen und Themenfeldern analysiert. Es werden Ideen skizziert, wie diese Ungleichheiten beseitigt werden können und Zusammenhalt entstehen kann. Folgende Interviews möchten wir besonders empfehlen:
Christian Baron (2020): Ein Mann seiner Klasse. Claasen Verlag.
Christian Baron wurde 1985 in Kaiserslautern geboren. Er studierte Politikwissenschaft, Soziologie und Germanistik in Trier. Christian Baron erzählt die Geschichte seiner Kindheit, seines prügelnden Vaters und seiner depressiven Mutter. Er beschreibt, was es bedeutet, in diesem reichen Land in Armut aufzuwachsen. Wie es sich anfühlt, als kleiner Junge männliche Gewalt zu erfahren. Was es heißt, als Jugendlicher zum Klassenflüchtling zu werden. Was von all den Erinnerungen bleibt. Und wie es ihm gelang, seinen eigenen Weg zu finden.
Christian Baron, Maria Barankow (Hg.) (2021): Klasse und Kampf. Claassen Verlag.
Was bedeutet es, in einem reichen Land in Armut aufzuwachsen und dafür ausgelacht und ausgegrenzt zu werden? Sich von seinem Herkunftsmilieu zu entfernen, aber die eigenen Wurzeln nicht verraten zu wollen? Und dennoch im neuen Milieu nie wirklich anzukommen? Deutschland gibt sich gerne als ein Land, in dem Klasse unsichtbar ist. In dem die Chancen auf Bildung und Wohlstand für alle gleich sind. Klasse und Kampf räumt mit diesem Mythos auf. 14 Autor*innen schreiben in persönlichen Essays über Herkunft und Scham, über Privilegien und strukturelle Diskriminierung, über den Aufstieg und das Unwohlsein im neuen Milieu.
Julia Friedrichs (2021): „Working Class. Warum wir Arbeit brauchen von der wir leben können“. Piper Verlag.
In diesem Sachbuch hinterfragt Journalistin und Autorin Julia Friedrichs die Wohlstandsillusion. Julia Friedrichs interviewt Expert*innen aus der Wissenschaft und Politiker*innen. Ihr Fokus liegt aber auch auf Menschen, die jeden Tag putzen, unterrichten und ins Büro gehen, um ihr Überleben zu sichern, und dabei nicht genug für die Rente oder den Vermögensaufbau verdienen. Trotz ihrer ernüchternden Erkenntnisse schlägt sie einige Ideen vor, die aus dieser Krise hinausführen könnten. Das Buch ist beim Verlag und als Sonderausgabe bei der Bundeszentrale für politische Bildung erhältlich.
bell hooks (2020): Die Bedeutung von Klasse. Warum die Verhältnisse nicht auf Rassismus und Sexismus zu reduzieren sind. Unrast Verlag.
Die afro-amerikanische Feministin bell hooks verknüpft in diesem Buch einen sehr persönlichen und autobiografischen Zugang mit einer grundlegenden Gesellschaftsanalyse und Kulturkritik. hooks denkt Klasse stark vom Alltag und von sozialen Bewegungen her, die sie im Hinblick auf ihre Klassenpolitiken kritisiert und auf ihre Potenziale hin befragt. Dabei liefert sie differenzierte und empirisch fundierte Analysen zu den Verknüpfungen von Rassismus, Sexismus und Kapitalismus/Klassismus.
Andreas Kemper, Heike Weinbach (2009): Klassismus eine Einführung. Unrast Verlag.
Dieses Buch war 2009 die erste umfassende Veröffentlichung zum Thema Klassismus in deutscher Sprache. Die Verfasser*innen zeigen die Ursprünge des Klassismusbegriffs auf, seine Alltags- und Widerstandspraxen in den USA sowie seine politische Anschlussfähigkeit im Kontext der Bundesrepublik.
Andreas Kemper (2016): Klassismus eine Bestandsaufnahme. Friedrich Ebert Stiftung Landesbüro Thüringen (Hg.)
In dieser Broschüre, die als Download zur Verfügung steht, gibt Andreas Kemper einen Überblick über den Klassismusbegriff und aktuelle Diskurse zum Thema.
Francis Seeck und Brigitte Theißl (Hg.) (2021): Solidarisch gegen Klassimus. Organisieren, intervenieren, umverteilen. Unrast Verlag.
In 26 Texten weren aktivistische Erfahrungen, theoretische Diskussionen und persönliche Essays zum Thema Klassismus veröffentlicht. Die Beiträge diskutieren Strategien gegen Klassismus in politischen Zusammenhängen, in Bildungseinrichtungen und gegen Scham; sie berichten von antiklassistischen Interventionen in der Frauen- und Lesbenbewegung und vermitteln Möglichkeiten, sich gegen das Jobcenter oder gegen Vermieter*innen zu organisieren.
Aumair, Betina, Theißl, Brigitte (2020): Klassenreise, Wie die soziale Herkunft unser Leben prägt.
Die Autorinnen porträtieren elf Personen, deren Geschichte mit dem Mythos „Aufstieg durch Leistung“ brechen. Sie machen deutlich, wie stark uns die soziale Herkunft prägt und welche Rolle dabei Geschlecht oder Migration spielen.
Die Zeit-Online hat vor kurzem das Thema Klasse zum Schwerpunkt gemacht und dazu einige interessante Beiträge veröffentlicht.
Netzwerk Steuergerechtigkeit
Das Netzwerk Steuergerechtigkeit Deutschland engagiert sich für eine am Gemeinwohl orientierte Steuer- und Finanzpolitik. Im Netzwerk arbeiten Gewerkschaften, kirchliche und entwicklungspolitische Organisationen, soziale Bewegungen, Umwelt- und Menschenrechtsverbände, wissenschaftliche Institutionen und weitere zivilgesellschaftliche Organisationen sowie aktive Einzelpersonen zusammen. Auf dem Blog des Netzwerk Steuergerechtigkeit sind aktuelle Beiträge der Mitglieder und Unterstützer*innen zu finden: https://www.netzwerk-steuergerechtigkeit.de/blog/.
Tax me now
Die Initiative tax me now wurde von Vermögenden initiiert, die sich aktiv für Steuergerechtigkeit einsetzen. Sie setzen sich für eine höhere Besteuerung von Vermögen ein, um mehr Chancen, Teilhabe und Zukunftsinvestitionen für alle zu ermöglichen: https://www.taxmenow.eu/
Wer hat der gibt
Das Bündnis „Wer hat der gibt“ ist ein Bündnis aus verschiedenen Gruppen und Einzelpersonen, die für eine gerechte Verteilung von Reichtum und Macht in der Gesellschaft und „eine Welt, in der niemand Angst haben muss, dass (Grund-)Bedürfnisse nicht befriedigt werden können“ kämpfen. Auf der Homepage stehen Informationen zur Verteilung von Vermögen und Einkommen zur Verfügung: https://werhatdergibt.org/faktencheck/
Diversity Arts Culture: Die auf dieser Seite von Nenad Čupić zusammengestellten Links bieten Impulse für die eigene Recherche zum Thema Klassismus.
Andreas Kemper ist deutscher Publizist und Soziologe und unter anderem bekannt für Arbeiten zum Thema Klassismus und zur AfD. Auf seiner Homepage finden sich viele Hinweise zu seinen Analysen und Arbeiten.
Francis Seeck ist Kulturanthropolog*in, Geschlechterforscher*in, Antidiskriminierungstrainer*in und Erwachsenenbildner*in. Aktuell arbeitet sie als Post-Doc an der Humboldt-Universität. Francis Seeck gibt Fortbildungen und Vorträge zu den Themen Klassismus, soziale Gerechtigkeit, Care und geschlechtliche Vielfalt. Auf ihrer Seite finden sich interessante Publikationen zum Thema sowie Vorträge und Veranstaltungshinweise.
Das Institut für Klassismusforschung möchte die Forschung und Beschäftigung mit dem Thema Klassismus* voranbringen. Hinter dem Institut für Klassismusforschung „verbirgt“ sich eine Gruppe von Working Class/ Poverty Class Academics mit dem Forschungsschwerpunkt Klassismus. Hierzu wird eine Sammlung von Material wie Literatur, Internetlinks und Filme erarbeitet, gepflegt und öffentlich zugänglich gemacht.
Auf dieser Seite der Wochenzeitung derFreitag sind einige interessante Hintergrundinformationen nachzulesen zur Rolle der sozialen Herkunft in Bezug auf Gesundheit, Bildungschancen und Armut.
Radiosendung Nachtstudio Bayerischer Rundfunk: „Goodbye Mittelschichtsmärchen! Die Wiederentdeckung der Klasse“ von Hardy Funk
Zusammen mit Anke Stelling, Autorin des Romans „Schäfchen im Trockenen“, mit der Journalistin Julia Friedrichs („Working Class“) und mit Andreas Kemper , („Klassismus. Eine Einführung“), beleuchtet Hardy Funk in dieser Radiosendung Klassismus.
Radio-Feature „Prolls, Assis und Schmarotzer. Warum unsere Gesellschaft die Armen verachtet“, Bayerischer Rundfunk, Sendung Zündstoff von Julia Fritzsche und Sebastian Dörfler (2016).
DLF Kultur Podcast „Die verachtete Unterschicht“
Dissens Podcast „Klassismus, was bedeutet das denn bitte?“: Francis Seeck und Brigitte Theißl im Gespräch über Klassismus.
Wohlstand für alle (2020): Bestsellerautor Christian Baron über Armut, Herkunft und Solidarität.
Auf dem Kanal „Wohlstand für Alle“ spricht Ole Nymoen mit Christian Baron über seine Erfahrungen der Armut in der Kindheit und über sein literarisches Debut „Ein Mann seiner Klasse“.
SHEROES – Streiterinnen für die Zukunft: Arm oder Reich? Der Kampf um die Klasse | ARD Mediathek
Bei dem ARD Sendeformat „SHEROES – Streiterinnen für die Zukunft“ diskutiert Jagoda Marinic‘ mit engagierten Frauen, die sich für Gleichberechtigung und gesellschaftlichen Wandel einsetzen. In dieser Sendung geht es um Fragen wie: Was, wenn Arbeit zwar zum Überleben, aber nicht zum Leben reicht? Wenn der Wohlstand ausbleibt und darüber hinaus auch der Respekt für die Arbeit fehlt, die wir leisten? Julia Friedrichs und Franziska Schutzbach kämpfen gegen ein ausbeuterisches System – das Frauen oft noch härter trifft – und für eine Gesellschaft, in der die Arbeit, die wir in Alltag und Beruf leisten, entlohnt und wertgeschätzt wird.
In der ZEIT-ONLINE-Reihe „Die blaue Hand“ sprach die Autorin Julia Friedrichs über Klasse und die Klassismus-Debatte in Deutschland. Was bedeutet die Kategorie „Klasse“ noch in einem Land wie Deutschland, in dem es immer weniger klassische Arbeiterbiografien gibt? Wie entsteht aus der Beschreibung von Einzelschicksalen und brüchigen Lebenswegen das Gesamtbild einer Gesellschaft und welche strukturellen Missstände werden dabei erkennbar?
SWR2 Gespräch: Welche Rolle spielt soziale Herkunft? – Der Klassismusforscher Andreas Kemper im Gespräch (2020)
Das Deutschlandradio wird den Zustand der Arbeitswelt in Deutschland im nächsten Jahr zum Schwerpunkt im Programm machen. Unter dem Titel „Von der Hand in den Mund – die Working Class in Deutschland“ werden sich alle drei Sender Deutschlandfunk, Deutschlandfunk Kultur und Deutschlandfunk Nova damit auseinandersetzen.
In Kürze erscheint das Buch „Zugang verwehrt. Keine Chance in der Klassengesellschaft: wie Klassismus soziale Ungleichheit fördert“ von Francis Seeck
Blogbeitrag – Soziale Ungleichheit im Gepäck: Das ist Klassismus
In unseren Beiträgen beleuchten wir eine Diskriminierungsform, die oft vergessen wird: Klassismus. Klassismus bewirkt, dass unsere Gesellschaft sich weiter in „Verlierer*innen“ und „Gewinner*innen“ spaltet und damit von dem Gedanken des Zusammenhalts und der Solidarität entfernt. In unserem Blobeitrag „Soziale Ungleichheit im Gepäck – Das ist Klassismus“ beleuchten wir Hintergründe und Fakten zu dieser Diskriminierungsform.
Klassismus, soziale Ungleichheit und die Bedeutung in der AWO
Deutschland ist eines der reichsten Länder der Welt. Und trotzdem ist hier etwa jede*r Sechste von Armut bedroht. Mit der zunehmenden Polarisierung sozialer Lebenslagen nimmt auch die Diskriminierung von Menschen aufgrund ihrer sozialen Herkunft und Position zu. Wie sind die Positionen der AWO, welche Bemühungen gibt es und was können wir tun gegen Klassismus? In diesem Blogbeitrag sammeln wir ein paar Fakten, Positionen und Handlungsempfehlungen.